Die Würzlaus

Die Spur der Würzlaus führt uns zurück in den 2.Weltkrieg. (Ich erspare mir an dieser Stelle sämtliche politisch korrekten Kommentare zu dieser Zeit)
Bekanntlich ist ja der Krieg der Vater nicht aller, aber vieler Dinge, so z.B. der 'Funkmess (dt.)'- oder 'RADAR(am.)'-Technik, die in den ersten Kriegsjahren eine rasante Entwicklung durchmachte, erlaubte sie doch die Ortung feindlicher (und auch eigener) Schiffe und Flugzeuge auf grössere Entfernung. Beinahe jeden Monat brachte die eine oder andere Seite ein neues Gerät mit verbesserten Eigenschaften zum Einsatz, das bereits im nächsten Monat von der gegnerischen Seite gestört oder ausgetrickst wurde. Ein deutsches Gerät, speziell zur Lokalisierung von Flugzeugen, war das Würzburg-Gerät. (womit wir schon mal das 'Würz' gefunden hätten, die Laus kommt später)

Das Würzburggerät Sämtliche damals vorhandenen Radargeräte (ich bleibe vorerst bei dem amerikanischen Ausdruck, weil er heute allgemein gebräuchlich ist) hatten eine gemeinsame Achillesferse: Durch den Abwurf von Stanniolstreifen, die auf die Wellenlänge des Gerätes abgestimmt waren, liessen sich Scheinechos erzeugen, in denen z.B. angreifende Flugzeuge völlig unsichtbar wurden. Diese Methode, im deutschen 'Düppel' genannt, im englischen 'Window', im amerikanischen 'Chaff', war beiden Seiten seit längerem bekannt, aber niemand traute sich, sie als erster einzusetzen, um dem Feind keine Hinweise zu geben, wie auch die eigenen Radargeräte auszuschalten wären. 
Ein Würzburg-Gerät

Das erste Mal wurde 'Window' beim Bombenangriff auf Hamburg am 24.Juli 1943  (Operation 'Gomorrha', und das war nicht untertrieben...) eingesetzt. Die deutschen Flakbatterien und Jäger waren quasi blind, so dass die Royal Air Force bei diesem Angriff nur 12 Bomber verlor, anstatt der statistisch zu erwartenden 50.

Natürlich liess man es nicht dabei bewenden, sondern entwickelte rasch Gegenmassnahmen, zum einen taktischer Art (die hier nicht interessieren, weil sie nichts mit Läusen zu tun haben), zum anderen technischer Art. Man kam schnell darauf, dass die 'Düppel' nach dem Abwurf sehr rasch abgebremst wurden und schon nach kurzer Zeit nur noch mit dem Wind dahintrieben. Die Flugzeuge hingegen flogen weiter mit ihren ca. 320 km/h. Durch den Doppler-Effekt (kennt jeder: wenn ein Auto vorbeifährt macht es: Waaaaaaooooummmhhh, d.h. wenn das Ding auf uns zu kommt ist der Ton höher, wenn es von uns wegfährt ist er niedriger. Der Fahrer hört den Lärm immer mit der gleichen Frequenz)  unterschieden sich die Radarechos in ihrer Frequenz voneinander. Durch eine sinnreiche Schaltung in einem Zusatzgerät (deren Details ich hier verschweige, weil nur gestandene Nachrichtentechniker sich daran erfreuen könnten (ich sage nur: Referenzoszillator, Sender synchronisieren, mischen..., und das alles ohne Signalprozessoren, nur mit 3 Röhren !), der Rest der Menschheit hingegen nur gelangweilt bis verständmislos dreinschauen würde) gelang es, diesen Frequenzunterschied auf den Anzeigen der Funkmessgeräte (hier mal wieder das deutsche Wort, zur Abwechslung) sichtbar zu machen.

 Er zeigte sich, bei richtiger Abstimmung,  durch ein Zittern in der Anzeige bei Zielen, die sich mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegten, und somit eher ein böser Bomber als ein simpler Stanniolstreifen waren.
 Dieses Zusatzgerät erhielt den Decknamen 'Laus', und folgerichtig wurde das Zittern von den Bedienern 'läuseln' genannt. Das Verfahren wurde für verschiedene Funkmessgeräte eingesetzt, das nebenstehende Bild zeigt z.B. die Anzeige eines 'Tastlaus'-Gerätes. Leider ist es mir nicht gelungen, ein Bild von der Anzeige des 'Laus'-Zusatzes zum Würzburg-Gerät zu bekommen, aber ich kann mir vorstellen, dass das 'läuseln' dort recht ähnlich aussah.
Es laeuselt im Braunschen Rohr
Na ?
Wir haben das 'Würz' und die 'Laus'.
Richtig ! Die 'Würzlaus' ist ebendieser Schaltungszusatz zum Würzburg-Gerät, womit unsere Sammlung von nutzlosem Wissen wieder einmal um eine überflüssige Information erweitert worden ist. 
Der tote Link aus der (eigentlich) richtigen Lösung Nr.2 ist inzwischen übrigens wieder aktiv:

http://tgr.hok.dk/ekkmp-elk/his/2-vk/2-vk.htm

Ein Leckerbissen für diejenigen unter uns, die der dänischen Sprache mächtig sind. 
Informationen zum Thema sind auch unter:

http://vectorsite.tripod.com/ttwiz3.html

zu finden. Diesen Link lieferte der eigentliche Gewinner (Dr.R.W. aus H.) nach. Ihm gebührt also als einzigem die Ehre, sich mit dem Thema auf einer sachlichen Ebene erfolgreich auseinandergesetzt zu haben. Leider blieb ihm der Gewinn durch den eigenartigen Umgang des Oberkommandos des dänischen Heeres mit seiner Website versagt.
(So, ich hoffe, das langt jetzt an Ehrungen & Erklärungen!)

Noch zwei Literaturhinweise zum Thema Würzlaus:
  • B.Johnson : Streng geheim - Wissenschaft und Technik im 2.Weltkrieg
    (Paul Pietsch Verlage GmbH Stuttgart ISBN 3-89350-818-X)
  • Fritz Trenkle : Die deutschen Funkstörverfahren bis 1945
    (AEG-Telefunken Werkverlag, ohne ISBN )
    (DAS Buch zum Thema, u.a. mit Schaltplänen und detaillierten Beschreibungen. Nur für Hardcorenachrichtentechniker !)
Abschliessend bleibt noch die Frage: "Wie kommt man auf sowas ?" zu beantworten. Ganz einfach: man fülle sein Hirn mit überflüssigem Wissen (manche nennen das auch Hobby), vermische das ganze Wissen gut und gebe sich dem freien Assoziieren hin. Dann erscheint irgendwann die Würzlaus fast wie von selbst.
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baku 01.08.2001