Wölfe im Mai |
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(Franz Josef Degenhardt ) | ||
August, der Schäfer, hat Wölfe gehört,
Wölfe mitten im Mai, zwar nur zwei, doch der Schäfer, der schwört, die hätten zusammen das Fraßlied geheult, das aus früherer Zeit, und er schreit, und sein Hut ist verbeult. Schreit: "Rasch, holt die Sensen, sonst ist es zu spät! Schlagt sie tot, noch ehe der Hahn dreimal kräht!" Doch wer hört schon auf einen alten Hut und ist auf der Hut, und ist auf der Hut? August, der Schäfer, ward nie mehr geseh'n, nur sein alter Hut, voller Blut, schwamm im Bach. Zirka zehn hat dann später das Dorfhexenkind nachts im Steinbruch entdeckt, blutbefleckt und die Schnauzen im Wind. Dem Kind hat die Mutter den Mund zugehext, hat geflüstert: "Bist still oder du verreckst. Wer den bösen Wolf nicht vergisst, mein Kind, bleibt immer ein Kind, bleibt immer ein Kind." Schon schnappten Hunde den Wind, und im Hag rochen Rosen nach Aas. Kein Schwein fraß, Eulen jagten am Tag, Hühner verscharrten die Eier im Sand, Speck im Fang wurde weich, aus dem Teich krochen Karpfen ans Land. Da haben die Greise zahnlos gelacht, gezischelt: "Wir haben's gleich gesagt: Düngt die Felder wieder mit altem Mist, sonst ist alles Mist, sonst ist alles Mist." Dann zu Johannis, beim Feuertanzfest, keiner weiß heute mehr wie, waren sie plötzlich da. Aus Geäst sprangen sie in den Tanzkreis; zu schnell bissen Bräute ins Gras. Und zu blaß schien der Mond. Aber hell, hell brannte Feuer aus trockenem Moos, brannte der Wald bis hinunter zum Fluss. "Kinder, spielt, vom Rauch dort wissen wir nichts und riechen auch nichts, und riechen auch nichts." Jetzt kommen Zeiten, da heißt es, heraus mit dem Gold aus dem Mund. Seid klug und wühlt euch Gräben ums Haus. Gebt eure Töchter dem rohesten Knecht, jenem, der noch zur Not
nicht nur Brot mit den Zähnen aufbricht." So sang der verschmuddelte Bauchladenmann und pries Amulette aus Wolfszähnen an. "Wickelt Stroh und Stacheldraht um den Hals, und haltet den Hals, und haltet den Hals." Was ist dann doch in den Häusern passiert? Bisse in Balken und Bett. Welches Fett hat den Rauchfang verschmiert? Wer gab den Wölfen die Kreide, das Mehl, stäubte die Pfoten weiß? Welcher Geiß glich das Ziegengebell? Und hat sich ein siebentes Geißlein versteckt? Wurden Wackersteine im Brunnen entdeckt? Viele Fragen, die nur einer hören will, der stören will, der stören will. Nur jener Knecht mit dem Wildschweingebrech, heut' ein Touristenziel, weiß, wieviel da geschah. Aber frech hockt er im Käfig, frißt Blutwurst und lacht, wenn man ihn fragt. Und nur Schlag null Uhr, zur Johannisnacht, wenn von den Bergen das Feuerrad springt,
die Touristenschar fröhlich das Fraßlied singt, beisst er wild ins Gitter, schreit: "Schluss mit dem Lied! 's ist ein garstig' Lied. 's ist ein garstig Lied." August, der Schäfer, hat Wölfe gehört, Wölfe mitten im Mai, mehr als zwei. und der Schäfer, der schwört, die hätten zusammen das Fraßlied geheult, das aus früherer Zeit, und er schreit, und sein Hut ist verbeult. Schreit: "Rasch, holt die Sensen, sonst ist es zu spät! Schlagt sie tot, noch ehe der Hahn dreimal kräht!" Doch wer hört schon auf einen alten Hut und ist auf der Hut, und ist auf der Hut? |
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