Die Mär von Onkel Schmadderbrägen

Nun kam aber die Zeit, da Onkel Schmadderbrägen zu verscheiden in Erwägung gezogen hatte, oder besser in Erwägung gezogen wurde, durch eine Folge unglücklicher Umstände.
Onkel Schmadderbrägen war der Herr über 500 Quadratmeter feinsten Moorbodens, den er mit seiner Familie, also folglich uns, meinen Brüdern und mir, da er keine eigenen Kinder zeugen konnte und wir somit seine erbrechtlichen Nachfolger waren, bestellte. Also beackerte. Also sagen wir mal, aberntete.
'Lever Torfbuur as Beamter!' rief Onkel Schmadderbrägen sonntags manchmal fröhlich aus der Torfkuhle den höhergestellten Herrschaften zu, die in ihren Kutschen zur Erholung durchs Moor fuhren.
Solcherart ein stolzer Torfabbauer, rief er dann, als er zu sterben gedachte, seine Söhne zu sich. Als die nicht kamen, dachte er: Scheisse, du hast ja nur Töchter!
So rief er dann seine Töchter zu sich.
Als die auch nicht kamen, dachte er: Scheisse, was macht denn der Knebel in meinem Mund?(*)
Und als seine Söhne sich dann endlich auf sein Rufen hin doch um sein Bett geschart hatten, nachdem ihre Mutter sie alle angerufen und ihnen den Ernst der Lage klargemacht hatte, da hub er an:
Meine lieben Söhne!
Ich, der Schmadderbrägen Hinnerk, euer Erzeuger und Ernährer (Mutter Schmadderbrägen hat dabei so komisch gelacht, aber das hat zum Glück keiner gesehen!), habe euch heute hier versammelt, weil meine Zeit gekommen ist. Der Herr wird mich bald heimholen in sein Reich, und vorher möchte ich noch mein hienieden auf Erden erschaffenes Reich weitergeben an meinen Nachfolger, den Nächstwürdigen, den ich heute aus euren Reihen erwählen will! 3 Aufgaben werde ich meinen Söhnen stellen, und wer sie zu lösen vermag, soll der neue Herr des Schmadderbrägen-Hofes werden.
Da schrien die Söhne gleich: ICH, ICH, ICH!
Und da merkte Onkel Schmadderbrägen, dass seine Neffen allesamt noch viel zu klein und kindlich waren, um diese schwere Bürde zu tragen, und beschloss schweren Herzens, noch ein paar Jahre am Leben zu bleiben, bis ein würdiger Nachfolger herangewachsen wäre.
Zum Glück wiederholten sich diese Episoden immer um die Osterzeit, da war sowieso immer die ganze Familie da. Zum Schluss stieg Onkel Schmadderbrägen dann immer auf den Tisch, stiess eine imaginäre Lanze in einen ebenso imaginären Feind und grölte: 'Wi sünt luud un obsternaatsch und dat meent lever dod as slaav!'

(*)Auch eine gute Familie ist nur begrenzt belastbar...

Nachtrag:
Onkel Schmadderbrägen ist ja nun wirklich tot. Beim Bergen des letzten Torfklumpens für diesen Tag fiel ihm die ganze Erde auf den Kopf, die er hat stehenlassen, damit Nachbar Müller-Gablonz nicht merkt, dass unter seinem Garten Torf abgebaut wird. In Wirklichkeit hiess er ja auch nur Hinnerk, aber an das 'Schmadderbrägen' hat er sich schon in früher Kindheit dermassen gewöhnt, dass er gar nicht mehr 'Hinnerk' genannt werden mochte und diesen Namen nur zu besonders feierlichen Anlässen oder gar Amtshandlungen gebrauchte.
Aber muss man so einen gleich ins Heim geben?
nach Hause