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Die Tornadouhr


Eine Tornado (Flugzeuge nennt man doch immer weiblich)

Wehrtechnik zu Weckuhren!

 

1. Was ist denn das nu wieder?
2. Numitrons und Minitrons
3. Die Ersatztornadouhr
4. Wie anfangen?
5. Was bleibt?
6. Was bleibt einem anderes übrig?
7. Am Rande des schaltungstechnischen Wahns
8. Die Hardware beleben
10. Und noch ne Anzeige
11. Das Weckkonzept
12. Die Tornadouhr:

1. Was ist denn das nu wieder?


Kann man auf die Schnelle nicht erklären.
Es begab sich zu der Zeit, dass ich auf der Suche nach wohlfeilen Minitrons eBay befragte, und mir dieses Teil angeboten wurde:

UOA (Useless on arrival...)


Das sollte laut eBay-Anzeige 10 Minitrons enthalten, samt der nötigen Treiber und pipapo, sogar ein Mikroprozessor sei dabei!

"Sie bieten hier auf eine Steuerkonsole des Radarabwehrsystems aus dem Tornado ECR (Electronic Combat Reconnaissance) Kampfflugzeug.(Wer mehr zu diesem Flugzeug wissen möchte sollte einfach mal nach Tornado +ECR googeln)
Das Gerät enthält 10 Stück der mittlerweile sehr selten gewordenen Numitron 7-Segment Anzeigen (Glühfäden!) 4 Drucktasten, 4 Up/Down Toggleswitches
(sehr stabile und wertige Ausführung) einen Standby/Off Schalter mit Schutz gegen versehentliche Betätigung, einen Betriebsstungenszähler
sowie die nötige Anteuerelektronik mit Mikrocontroller 8051, ROM den für die Anzeige notwendigen Treibern (ULN2003 kompatibel).
Das Gehäuse besteht aus grau lackiertem Aluminium, Abmessungen der Frontplatte 14,6x13,4cm (BxH), Tiefe des Gerätes inclusive der 4 rückseitigen Rundsteckverbinder ca. 14cm.
Das Gerät stammt aus ausgesonderten Bundeswehrbeständen."


Minitrons hatten mich als Jugendlichen schon fasziniert(*), und wenn die Dinger nix sind, dann sind da reichlich geile Schalter dran! Also frisch mitgeboten und gewonnen!
Als das mutmassliche Schlachtopfer dann auf meinem Schreibtisch stand, fand ich es viel zu schön, um es zu schlachten. Ein wenig Modifizieren täte schon Not, aber viel ist das nicht. 
Nach dem quälendem Bediendilemma bei der Bakuuhr mit ihren popeligen drei Tasten hintendrauf und der echt ungenügenden Anzeige wäre das doch endlich mal ne goile Uhr! 
Richtig viele Schalter vorne drauf, solides Metallgehäuse mit vertieft liegenden, robusten Anzeigeelementen. (Kinder- und Kollegensicher!) 
Anzeige der Zeit in sinnfälligen Gruppen:
Rechts oben, 4stellig, die Uhrzeit in Stunden und Minuten. Das langt ja meistens.
Links oben die Sekunden
Mitte unten die Zeit, die noch bleibt, in Minuten. Wenn es weniger als 100 sind, dann werden automatisch auch die Zehntelminuten angezeigt. Ist nämlich das einzige Anzeigefeld mit Dezimalpunkt. 

Also, ich fand die Idee gut.

(*) Ich hatte sie das erste mal in meinem Leben im topmodernen Sprachlabor meiner Schule gesehen, und da zeigten sie mir durch ihre stete Anzeige der abgelaufenen Zeit an, dass es bald Pause sein würde.


2. Numitrons und Minitrons


7-Segment-Glühfadenanzeigen, das sind sie beide. Numitrons sind die Glühfadenanzeigen im runden Röhrengehäuse, und Minitrons sind die Dinger in DIL. 
In der Tornadouhr sind garkeine Numitrons, sondern Minitrons, und zwar genau echte KW105! Die kriegt man noch zu kaufen, für 38$ das Stück, gebraucht.
Und in Wirklichkeit sind es auch 11 Stück, weil der Dezimalpunkt im eigenen Gehäuse auch dabei ist.  Dieser wird im Weiteren später 'V10' genannt, aber wir wollen nicht vorgreifen.

Minitrons



3. Die Ersatztornadouhr


An dieser Stelle sei kurz die Frage des Verkäufers beantwortet, was ich mit den '22' (richtig bemerkt) Dingern denn anstellen wolle. Nach der eingehenden Untersuchung des Tornadoteils und dem Beginn der Modifikationen befiel mich die leise Furcht, etwas daran beim analysierenden herumbasteln irreparabel zu zerstören. Diese Idee kam nicht von Ungefähr, nachdem ich bereits beim Erforschen des Aufbaus der Taster eine Tastenkappe leicht beschädigt hatte... Um so grösser war meine Freunde, dass noch so ein Teil zur Auktion kam. So als hätten sich die Erynnien wieder mal gegen mich verschworen, fiel just am Tag des Gebotsendes mein Netzwerk aus, so dass ich nicht mitbieten konnte. Ein verlässlicher Gewährswatz rettete mich aus dieser Not und erstand für mich die Ersatztornadouhr, die laut Beschreibung zwar nicht so toll wie das Original war, aber zumindest die defekte Tastenkappe schonmal hergab und auch ansonsten als sicherer Ersatzteilspender eine langfristige Funktion der entstehenden Tornadouhr garantieren wird.
Das nur dazu...

 

 

4. Wie anfangen?


Mit der Analyse der Problematik natürlich, der Dekomposition des unlösbar erscheinenden Titanenwerks in lauter banale Problemchen.
Oder besser: Erstmal aufschrauben, das Teil, und nachsehen, was drinne ist:

Erstmal aufmachen...


Das kleine Platinchen rechts unten im Bild gehört nicht dazu, das lag nur zufällig beim Fotografieren auf dem Tisch rum. Zusammengefasst also: Eine echte Bedieneinheit mit einem Stecker an einer 'flexiblen' Leiterplatte, über die an anderer Stelle noch zu klagen sein wird. Eine Art Busplatine im Gehäuse verschraubt, auf der eine Prozessorplatine (unten rechts), eine Treiberplatine (oben links) und eine Stromversorgungsplatine (Nicht im Bild, weil ich die mangels 115VAC/400Hz gleich weggetan habe). 

 


5. Was bleibt?


Ein graues Avionikgehäuse mit Leuchtfadenanzeige. Und knorken (Ich freu mich, dieses Wort an dieser Stelle endlich man anwenden zu können) Schaltern mit eingebauten Lämpchen und Spruchbändern. Ach nee, wie soll man sowas nur nennen? So hinterleuchtete Schriften im Knopfdeckel... 

 


6. Was bleibt einem anderes übrig?


Schaltplan aufnehmen:
Scribble 1Scribble 2Scribble 3

Den Teilen Namen geben:

Frontplatte mit Beschriftung

Und sich dann ganz gehörig wundern...
Im Grunde ist die Schaltung 'straigth-forward', wie wir modernen Menschen sagen, und für einen Elektronendompteur, der sein Handwerk in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts erlernt hat, leicht zu durchschauen. IO-Treiber am Bus, Chip select und solche Sachen.  Wo dann am Ende brav alle Lampen, Schalter und Anzeigen rauskamen.

 

 

7. Am Rande des schaltungstechnischen Wahns


Vieles hat man schon gesehen als Hardcorebastler in all den Jahren, vieles erlitten und erduldet und sich nicht nur oft über die bizarren Gedankengänge seiner Mitmenschen gewundert, sondern mitunter gar entsetzt.
 Aber dieses hat mein Fassungsvermögen überschritten: 
Alle Anzeigen waren hübsch brav mit Decodern und Treibern an den Bus angeschlossen, auf dass man auf jeder von ihnen zwar nicht tun und lassen konnte, was man wollte, so doch zumindest die Ziffern von 0 bis 9 nebst garkeiner Ziffer anzeigen konnte. 
Bis auf V3 und V7.
Man fasst es nicht! Diese waren mit V2 und V6 parallelgeschaltet! So wahr ich der Bastelmeister bin! Welch redundante Information will man einem Tornadopiloten durch parallelgeschaltete 7-Segmentanzeigen darstellen? Welch ein Unfug! Da fliegt so einer im Tornado dahin, weiss eh nicht, wo ihm der Kopf so ganz genau steht, weil das eine recht anstrengende Angelegenheit ist, und dann zeigen da irgendwelche Spackenkasper Ziffern einfach doppelt an. 
Ich mein,  ich bin da ja fein raus. 
Nachdem die Idee, die Verbindungen in einem 6-fach Multilayer durch Kondensatorentladungen zu zerbrezeln mit Rücksicht auf die umgebenden Bauteile aufgegeben wurde, habe ich die armen Sklavenanzeigen eben mit dem Proxxon und den Werkzeugen von Kalmring sein Enkel seiner Zahnärtztin einfach freigedremelt:


Gedremelt

Dabei mussten zwar einige Leitungen ihr Leben lassen, die man noch benötigt hätte, aber wo gehobelt wird:

Gedrahtet

kann man das auch mit Fädeldraht wieder hinkleistern.
Und für die so völlig freigestellten Anzeigen extra hübsch einen 8Bit -Port am SPI nebst Treiber spendieren:


Gefrunselt

Der sich 2 mal harmonisch in das Gesamtgefüge einpasst:

Gelöst...


 

 

8. Die Hardware beleben


Nachdem dies alles nun verstanden und wo nötigt geändert war, blieb nur noch die Steuerung über. Ein Thema, das aufgrund seiner relativen Banalität sehr viel Zeit beanspruchte, da mir seine Erledigung keinen deutlichen Lustgewinn versprach. Aber manchmal ist es schon hübsch und angenehm, und das mag vielleicht eine Erfahrung des Alters sein, einfach die Dinge zu tun, die man kann. Da von solchem Philosophiegeschwurbel aber nichts fertig wird, begann ich eines Tages die Tornadouhrsteuerschaltung zusammenzubruzzeln. 

Der kleine Lötmaxe schlägt wieder zu

untenrum

Fertig!

 



 

10. Und noch ne Anzeige


V8, V9, V11 und das kleine Licht V10 tragen auf der Frontplatte den Titel 'REMAIN TIME'.
Ich stelle mir vor, das ist die Anzeige für den Piloten, wie lange das anfliegende Kampfmittel, das ihn mit seinem Radar aufgefasst hat, sei es jetzt ein Flugzeug oder eine Flugabwehrrakete, noch braucht bis zum Einschlag. Leider steht keine Einheit dabei, so wissen wir nicht, wie schrecklich diese Anzeige wirklich war. 
Als einziges der drei Ziffernfelder hat es eine Kommastelle, deswegen ist zu befürchten, dass es sich dabei um Sekunden handelt... Eigentlich keine schöne Anzeige.

Auf solche finsteren Gedanken verfällt man, wenn man sich mit Wehrtechnik beschäftigt, aber hier lautet das Motto ja: "Wehrtechnik zu Weckuhren" und so verbleibt als einzig verbleibende 'REMAIN TIME' (was wahrscheinlich 'remaining time' heissen soll, aber in Grossbuchstaben noch weniger auf die Frontplatte gepasst hätte) die Anzeige der Zeit bis zum Wecken. Das ist zwar mitunter genauso grausam, erspart aber das lästige Berechnen der Differenz zwischen aktueller Uhrzeit und eingestellter Weckzeit, an die man sich dann auch noch erinnern muss und ist besonders in Situationen, in denen dieses beides schwerfällt, sehr hilfreich!
Dem schlaftrunkenem Auge soll die Anzeige möglichst sinnfällig und ohne langwierige Interpretation der Daten die Bedrohungslage signalisieren:

Alle Ziffern an, auch wenn die erste eine Null ist, und der Dezimalpunkt steht ruhig: 
Noch mehr als eine Stunde Zeit, also ruhig wieder einschlafen.

Alle Ziffern an, und die erste Ziffer ist keine Null, dafür blinkt der Dezimalpunkt: 
Noch mehr als 10 Minuten Zeit, also schön wieder runterfahren und der Dinge harren, die da kommen.

Dezimalpunkt blinkt, und die erste Stelle ist dunkel: 
Weniger als 10 Minuten, aber mehr als eine. Augen schliessen und hoffen, dass das ein Irrtum ist.

Dezimalpunkt und Nachkommastelle sind aus. Vorne laufen die Sekunden ab:
Jetzt wird es Zeit, sich auf das Erwachen einzustellen, das Gehirn langsam hochzufahren und sich die im Folgenden zu ergreifenden Massnahmen klar zu machen.

 


 

11. Das Weckkonzept


Eine Uhr muss irgendwo eine Weckfunktion haben, ansonsten taugt sie in der heutigen Zeit nicht viel. Ich trage keine Armbanduhr mehr, seitdem mir die letzte wegen Verrottung des im Bata-Souk in Riyadh gekauften 'Lederarmbandes' vom Arm gefallen ist. Ich weiss trotzdem immer hinreichend genau wie spät es gerade ist und bin nebenbei auch für meine Pünktlichkeit berühmt. Ein Ruhm, der nebenbei bemerkt, ein ziemlicher Fluch ist, weil jedermann wenn ich auch nur 10 Minuten zu spät komme auf der Stelle denkt, mir sei etwas zugestossen oder sie hätten mich endlich abgeholt. 

Ein Wecker ist hingegen etwas ganz anderes und viel nützlicheres, ist es doch seine Aufgabe, zu einer selbstgewählten Zeit die Eintönigkeit des Arbeitsalltages oder die Lethargie des Schlafes oder gar des Rausches zu durchbrechen, um auf wichtige Dinge hinzuweisen. 

Ein Wecker benötigt folgende Funktionen:

Lautes akustisches und optisches Signal.

Möglichkeit, das temporär abzustellen ('Schlummertaste'), ohne bereits voll ausgeprägte motorische Funktionen zu verlangen.  Nicht länger als 5 Minuten, um rudimentären Reflexen keine Möglichkeit zu geben, die Einhaltung wichtiger Termine zu versäumen.

Endabschaltung, die so beschaffen sein muss, dass zu ihrer Betätigung ein, wenn auch unwilliger, Geist halbwegs wach sein muss.

Da bietet die Tornadouhr einiges an:
Die rauf-runter-Schalter als Schlummertasten und den 'STBY'-Schalter zur Endabschaltung. Den muss man nämlich zum Umschalten etwas herausziehen, was viele Menschen noch nicht einmal am hellichten Tag begreifen.


 

12. Die Tornadouhr:

 

Die Tornadouhr!

Es it 23:48 und 18 Sekunden, und in 1,2 Stunden wird geweckt (Das war natürlich nur ein Test und keine Realsituation!) 

So ist sie nun fertig und zeigt brav die Uhrzeit aus Braunschweig, weckt mich mit ihrem unüberhörbaren Missklang, der allerdings über die vielfältigen Einstellfunktionen in der Lautstärke einstellbar ist, jeden Morgen und gefällt einfach. 
Damit aber auch genug, andere Bastelprojekte warten!
Schaltplan und Sourcecode gibt es auf Anfrage, aber erwartet keine Wunder, alles ganz normal gebastelt.


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Bakuzaehler